Datum
04.11.2024 AutorIn
Isabel Schütte Zum 86. Mal jährt sich vom 9. auf den 10. November die Reichskristallnacht. Opfer der damals ausgelösten Verfolgung und Ermordung der Juden wurden 28 Menschen aus Herbern und Ascheberg, unter ihnen die Familie Samson.
„Wer die Toten vergisst, bringt sie noch einmal um“, schreibt die Dichterin Ilse Aichinger über ihre Großmutter, die man in ein Konzentrationslager deportiert hatte. Zum Erinnern an die ermordeten Juden, die in Ascheberg und Herbern geboren wurden beziehungsweise dort gelebt haben, lädt dieses Wochenende ein. Denn zum 86. Mal jährt sich vom 9. auf den 10. November die Reichspogromnacht (Kristallnacht), die 1938 den Auftakt des systematischen Völkermordes der Nazis an den Juden, den Holocaust, einleitete.
Zum Erinnern an die ermordeten Juden, die in Ascheberg und Herbern geboren wurden beziehungsweise dort gelebt haben, lädt der SPD-Ortsverein am Sonntagvormittag (10. November) um 11 Uhr zu einem Treffen an den Stolpersteinen (Bernhardstraße /Ecke Merschstraße) ein.
In dem Buch „Biografische Geschichte der jüdischen Familien in Herbern und Ascheberg 1710-1945“ nennt der bereits verstorbene Heimatforscher Josef Farwick 28 Opfer des Holocaust, deren Namen mit Ascheberg und Herbern verbunden sind. In ganz besonderer Weise gilt dies für die Familie Samson, die 1938 noch als einzige jüdische Familie in Herbern lebte.
Ernst Samson besaß seinerzeit eine Schlosserei und einen Fahrradhandel an der Merschstraße 175. Im Ersten Weltkrieg war er für seine besondere Tapferkeit mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet worden und allein schon somit ein hoch geachteter Bürger. Nichtsdestotrotz zertrümmerten am 10. November 1938 unbekannte Täter die Fenster seines Wohnhauses und des Lagers sowie vier große Schaufensterscheiben seines Geschäfts. In der Wohnung zerschlugen sie die Möbel. „Der Jude Ernst Samson, geb. am 8.März 1889, verheiratet, zwei Töchter im Alter von 16 und 14 Jahren, ist in Schutzhaft genommen und auf Anordnung der Geheimen Staatspolizei dieser Zugeführt worden“, heißt es in einem dokumentierten Bericht des Amtsbürgermeisters.
„Ernst Samson stand nach der Rückkehr aus dem Untersuchungsgefängnis in Recklinghausen vor dem wirtschaftlichen Ruin“, berichtet Josef Farwick. Denn ab dem 1. Januar 1939 mussten alle Juden endgültig als Unternehmer, Handwerker und Gewerbetreibende aus dem Wirtschaftsleben ausscheiden.
„Ernst Samson stand nach der Rückkehr aus dem Untersuchungsgefängnis in Recklinghausen vor dem wirtschaftlichen Ruin“, berichtet Josef Farwick. Denn ab dem 1. Januar 1939 mussten alle Juden endgültig als Unternehmer, Handwerker und Gewerbetreibende aus dem Wirtschaftsleben ausscheiden.
Da Samson in Deutschland keine Existenzmöglichkeit mehr sah, wollte er nach Bolivien auswandern, was von der Geheimen Staatspolizei verhindert wurde. Stattdessen wurde er „zur Arbeitsaufnahme“ der Firma H. Hagen in Hamm „überwiesen“. Zur Kennzeichnung mussten er und seine Familienangehörigen einen „Judenstern“ tragen. Sein Vermögen fiel letztlich dem Reich zu.
Noch bitterer, entwürdigender und unmenschlich gestaltete sich das Schicksal der Herberner Familie ab dem 11. Dezember 1941: Der damals 42-jährige Ernst Samson, seine Frau Emma (39) sowie die Töchter Margret (18) und Gerda (16) wurden zum jüdischen Sammeltransport nach Münster gebracht und zunächst ins 1700 Kilometer entfernte Ghetto in Riga deportiert. Von dort wurde die Herberner Familie in das Konzentrationslager Stutthof in der Danziger Bucht verlegt.
„Ernst Samson ist von dort nicht zurückgekehrt. Sein Todesdatum ist unbekannt“, schreibt Josef Farwick in seiner Dokumentation. Emma Samson starb nach der Befreiung 1945 auf dem Rücktransport in Berlin. Die beiden Töchter kehrten zunächst nach Herbern zurück, fanden dort aber keine Heimat mehr und wanderten bald nach ihrer Ankunft nach Amerika aus.